Zahlen und Trends zur Ausbildung in Deutschland
Die Anzahl an Azubis in Deutschland hat sich innerhalb der letzten 25 Jahre etwa um eine halbe Million Menschen reduziert – von 1,7 Millionen auf 1,2 Millionen. Dabei finden sich ein Viertel der Azubis im Handwerk wieder und der Rest verteilt sich auf Industrie & Handel (über die Hälfte) und weitere Berufe. Während Betriebe kurz nach der Jahrtausendwende noch fast jeden Ausbildungsplatz besetzen konnten, hat sich diese Zahl mit 51 % Besetzungsquote auf fast die Hälfte reduziert. Mit 46,1 % unbesetzter Ausbildungsplätze leidet der Klempnerbetrieb am stärksten unter fehlendem Ausbildungsnachwuchs.1 Auch Ausbildungsplätze zu Fachverkäufer*innen im Lebensmittelhandwerk und Betonbauer*innen bleiben oftmals unbesetzt. Im Gegensatz dazu gelten Kauffrau für Büromanagement und Kfz-Mechatroniker als beliebteste Ausbildungsberufe der Gegenwart.2
Im Tischlerhandwerk sieht es hingegen nochmal anders aus: Ausbildungsverträge werden stetig neu geschlossen und auch Frauen entscheiden sich immer häufiger für die Ausbildung zur Tischlerin. Von 1.700 auf 3.800 weiblichen Azubis hat sich diese Anzahl im Jahr 2023 mehr als verdoppelt und auch die Gesamtzahl an neuen Ausbildungsverträgen zeigt einen leichten Anstieg.3 „Das Handwerk ist immer noch Ausbilder der Nation!”, betont ZDH-Präsident Jörg Dittrich und besonders im Tischlerhandwerk spiegelt sich diese Relevanz wider. Wie kommt es zu dieser Entwicklung? Und was macht die Ausbildung zum/r Tischler/Tischlerin so besonders? Wir haben in der Tischlerei Kolbe nachgefragt.
Nachwuchsgewinnung im Tischlerhandwerk
Immer weniger Menschen entscheiden sich für eine Ausbildung im Handwerk. Warum ist das so? Und gibt es Unterschiede in den verschiedenen Gewerken? Wir waren bei unserem HERO-Kunden, der Tischlerei Kolbe – Inhaber Benjamin Kolbe – und haben mit den Auszubildenden Falk, Alex und Pascal über die Tischlerausbildung und ihre Erfahrungen im Handwerk gesprochen.
Entgegen dem landesweiten Abwärtstrend in der Nachwuchsgewinnung freut sich die hannoveraner Tischlerei über viele Bewerbungen von jungen Menschen. Ausbildungs- und Praktikumsplätze werden dankend angenommen und auch die Abbrecherquote ist überraschend gering. Wirf mit HERO einen Blick hinter die Kulissen des Tischlerhandwerks und lies hier alles über aktuelle Ausbildungsstatistiken, Teamwork auf Augenhöhe und den Alltag im Betrieb.
Besuch der Tischlerei Kolbe in Hannover
Halb vier nachmittags in der Tischlerei Kolbe. Der Feierabend ist schon in Reichweite, aber das Team der Tischlerei in Hannover-Ahlem ist noch fleißig am Schleifen, Lackieren und Planen. Geleitet von Holztechniker und Tischler Benjamin Kolbe fertigt sein 9-köpfiges Team bereits seit 2010 individuelle und professionelle Holzobjekte. Mit dem Fokus auf die Bautischlerei sind die Tischler aus Hannover Profis, wenn es um die Fertigung von Fenstern, Türen und Holzterrassen geht. „Ich wollte das schon immer werden!”, antwortet Benjamin Kolbe begeistert auf die Frage, wie er selbst zur Tischlerlehre kam. Heute ist er stolzer Besitzer seiner eigenen Tischlerei, die auch erfolgreich junge Leute ausbildet.
Drei Azubis erlernen hier aktuell das Tischlerhandwerk. Sie teilen sich die Werkstatt unter anderem mit drei eigens ausgebildeten Gesellen, die direkte Beispiele für die positive Ausbilderquote in der Tischlerei Kolbe sind. Der Betrieb kann sich nämlich mit einer außerordentlich hohen Abschlussquote schmücken: „Bisher haben alle auf Anhieb bestanden”, sagt Kolbe stolz über seine Absolvent*innen. Zuspruch erhält der Profi-Tischler auch von seinen Azubis, denn alle drei arbeiten gerne in seinem Betrieb und sind sich einig, dass sie die Ausbildung zum Tischler weiterempfehlen können. Im Gespräch wird deutlich, dass besonders die Vielfältigkeit des Handwerks und die unterschiedlichen Aufgaben im Betrieb den dreien wichtig sind.
Einblicke in die Ausbildung
Falk (27), Alex (29) und Pascal (19) absolvieren aktuell die Ausbildung zum Tischler. Sie haben durch Praktika und Studium schon unterschiedliche Vorerfahrungen gesammelt und teilen jetzt die Begeisterung für das Tischlerhandwerk. In der praxisorientierten Ausbildung arbeiten sie drei-, bzw. viermal die Woche im Betrieb und freuen sich besonders über die Abwechslung und die gute Teamarbeit. „Das kreative Arbeiten, dass man jeden Tag andere Dinge macht und dass man nicht alles alleine macht”, waren für Azubi Falk ausschlaggebende Argumente für die Tischlerausbildung.
Genau diese Aufgabenvielfalt, die von allen dreien so positiv hervorgehoben wird, zeigt sich auch in ihren täglichen Aufgaben. Während Alex als erste Aufgabe in der Ausbildung eine Zarge zusammengebaut hat, hat Falk ein Fenster ausgebaut und Pascal durfte bei einer Gartenhütte alte Hölzer austauschen. Pascal konnte einer Vorliebe für Gartenprojekte bis heute folgen und erstellt aktuell ein Gartentor, Falk arbeitet an einem Türenelement und Alex ist häufig unterwegs auf Montage. Sie arbeiten dabei mit Akkuschrauber, Formatkreissäge und Stecheisen und favorisieren alle ein anderes Werkzeug. In der Tischlerei Kolbe gibt es also jeden Tag etwas Neues zu tun und individuelle Stärken können gezielt gefördert werden.
Was macht die Tischlerei Kolbe aus?
Im Gespräch mit den Azubis und Inhaber Benjamin Kolbe wird deutlich, dass besonders die Arbeit auf Augenhöhe ein wichtiger Faktor für die erfolgreiche Zusammenarbeit im Betrieb ist. Morgens wird zusammen Kaffee getrunken, gemeinsam in den Tag gestartet und bei Fragen können sich die Azubis an jeden ihrer Kolleg*innen wenden. Und auch unliebsame Aufgaben, die vielleicht anderswo ausschließlich vom Auszubildenden erledigt werden müssen, halten sich hier in Grenzen: Aufgeräumt und gefegt zum Beispiel wird gemeinsam. „Man wird hier als Azubi nicht ausgenutzt”, bekräftigt Auszubildender Alex und erzählt, dass die Ausbildung seine Erwartungen im Positiven übertreffe.
Das praktische Arbeiten, der Werkstoff Holz und die Zusammenarbeit im Team spiegeln nicht nur den Beruf des Tischlers, sondern auch die Interessen der drei Azubis wider. Die Begeisterung für Vollholzmöbel, das eigene Planen von Objekten und die Umsetzung eleganter Fenster und Türen begeistert sowohl Inhaber als auch Auszubildende. Azubi Pascal sagt, dass es ihm „einfach Freude macht, am Ende zu sehen, was man alles geschafft hat”. Das ehrliche Interesse am Handwerksberuf und die Faszination für die vielfältigen Aufgabenbereiche offenbaren sich in der Tischlerei Kolbe als gelebte Praxis.
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Reality Check: Ausbildung & Beruf als Tischler
Ein grundlegendes Interesse für’s Arbeiten mit dem Werkstoff Holz ist natürlich von Vorteil – aber worauf muss man sich einstellen, wenn man sich für diese Ausbildung entscheidet? Ganz klar stehen körperliche Arbeit, praktische Aufgaben und Projektarbeit in der Werkstatt und auf Montage im Fokus. Schulisch werden von Fachtheorie und Holztechnik über Mathematik und technisches Zeichnen mit CAD unterschiedlichste Themen abgebildet. In der Werkstatt wird dann geschliffen, geölt, montiert und hin und wieder natürlich auch aufgeräumt und gefegt. Zu den praktischen Lieblingsaufgaben der drei Azubis gehören aktuell das Arbeiten mit Vollholz und das sichere Einbauen von Fenstern.
Inhaber und Ausbilder Benjamin Kolbe weist ebenfalls darauf hin, dass sich jeder der harten, körperlichen Arbeit bewusst sein muss. Bekanntermaßen befinden sich Fenster nicht nur im Erdgeschoss von Gebäuden; schwindelfrei zu sein ist also durchaus von Vorteil. In der Werkstatt selbst ist mensch Holzstaub ausgesetzt und muss in der Lage sein, auch große Maschinen sicher zu bedienen. Auch die Aufgabenvielfalt hängt natürlich von der Spezialisierung des jeweiligen Betriebs ab und kann variieren. Ausgelernten Tischlern kommt bei der Wahl des Betriebs aktuell aber auch der Fachkräftemangel zugute, denn „Facharbeiter bewerben sich im Gegensatz zu Azubis fast nie”, so Kolbe, der in seinem Betrieb auch den Quereinsteig bei artverwandter Ausbildung nicht ausschließt. Gemeinsam mit angestiegenen Löhnen im Tischlerhandwerk sind das gute Aussichten.
Ist die Ausbildung zum Tischler etwas für dich?
Du hast Interesse am Handwerk, bist dir aber noch nicht sicher, ob die Ausbildung zum Tischler zu dir passt? Azubi Falk zum Beispiel hat sich nach einem Praktikum für die Tischlerlehre entschieden und auch Benjamin Kolbe rät: „Praktikum machen! Unbedingt!” Von ein- über zwölfwöchige Praktika sind die Möglichkeiten für Interessenten groß und geben dir einen ersten Einblick in den Arbeitsalltag als Tischler. Hier findest du nochmal eine Checkliste zum Job als Tischler:
- Körperliche Arbeit: Du erledigst hauptsächlich praktische Aufgaben – Schleifen, Ölen, Bohren und Zusammenbauen fordert körperliche Energie.
- Kreative Aufgaben: Das Tischlerhandwerk ist vielseitig – Fenster, Türen, Holzterrassen, Treppen und individuelle Möbel fertigst du an (abhängig vom Betrieb).
- Werkstatt & Montage: Du baust Objekte in der Werkstatt und verbaust, reparierst oder optimierst diese vor Ort beim Kunden.
- Teamwork: Du arbeitest mal alleine, mal im Team – du unterstützt andere und verbringst die Arbeitszeit mit deinen Kolleg*innen.
Fazit: Die Zukunft der Tischlerausbildung
Obwohl das Interesse an Ausbildungen, besonders an einer Ausbildung im Handwerk in Deutschland stetig sinkt, schlägt sich das Tischlerhandwerk wacker.1 Unbesetzte Plätze, steigende Abbrecherquoten und der Drang zum Studieren machen es anderen Betrieben und Gewerken jedoch nicht leicht.4 „Eine Ausbildung und ein Studium sind gleichwertig – auch in den Zukunftschancen – und beide Bildungswege müssen auch gleich wertgeschätzt werden.”, sagt Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales.
Für die Azubis der Tischlerei Kolbe ist das selbstverständlich: zwei von dreien haben bereits studiert und bevorzugen die Ausbildung über dem Studium. Auch die bei null liegende Abbrecherquote bei Kolbe spricht für das Traditionshandwerk und den hannoveraner Betrieb. Mit der Wertschätzung für das Handwerk, Teamarbeit auf Augenhöhe und vielfältigen Aufgaben leistet dieser Betrieb einen aktiven Beitrag zur Fachkräfteausbildung.
Quellen
1Statista (2024): Anzahl der Auszubildenden in Deutschland von 1950 bis 2023, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/156916/umfrage/anzahl-der-auszubildenden-in-deutschland-seit-1950/; Anzahl der Auszubildenden in verschiedenen Berufsgruppen (Zuständigkeitsbereiche) in Deutschland im Jahr 2023, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2141/umfrage/auszubildende-je-ausbildungsbereich-nach-geschlecht/; Besetzung angebotener Ausbildungsplätze bis 2023, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/5056/umfrage/besetzung-aller-angebotenen-ausbildungsplaetze/; Berufe mit hohem Anteil an unbesetzten Ausbildungsplätzen am betrieblichen Gesamtangebot im Jahr 2023, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/155817/umfrage/berufe-mit-hohem-anteil-an-unbesetzten-ausbildungsplaetzen/.
2Statistisches Bundesamt (2024): Top 10 Ausbildungsberufe Frauen 2021, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bildung-Forschung-Kultur/_Grafik/_Interaktiv/top-10-ausbildungsberufe-frauen.html; Top 10 Ausbildungsberufe Männer 2021, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bildung-Forschung-Kultur/_Grafik/_Interaktiv/top-10-ausbildungsberufe-maenner.html.
3ZDH (2024): Lehrlingsbestand nach Ausbildungsberufen 2023, https://www.zdh-statistik.de/application/stat_det.php?LID=1&ID=MDUzNTM=&cID=00905; Lehrlingsbestand nach Ausbildungsberufen 2013, https://www.zdh-statistik.de/application/stat_det.php?LID=1&ID=MDMxMjc=&cID=00569.
4Statista (2024): Anzahl der Studierenden an Hochschulen in Deutschland in den Wintersemestern von 2002/2003 bis 2023/2024, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/221/umfrage/anzahl-der-studenten-an-deutschen-hochschulen/.
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