Ausbildung in Deutschland aktuell
Ausbildungsbetriebe können ihre Plätze nicht mehr besetzen, junge Leute möchten lieber studieren und die Diskrepanz zwischen der Anzahl freier Ausbildungsplätze und suchender Menschen wird immer größer. Besonders das Handwerk leidet unter dem mangelnden Interesse an einer Ausbildung – und die Folgen davon? Fehlende Fachkräfte, schließende Betriebe und immer teurer werdende Dienstleistungen im Handwerk.
Wie kann man diesem Problem nun entgegenwirken? Die Handwerkskammer Hannover bietet verschiedenste Projekte, Beratungsangebote sowie Weiterbildungsmöglichkeiten an, um die Nachwuchsförderung im Handwerk anzukurbeln und auch erfahrene Handwerkern bei der Weiterbildung in ihrem Beruf zu unterstützen. Von der Ausbildungsberatung über Workshops bis hin zur Nachfolgemoderation gibt es viele Initiativen – Kolleg*innen aus der Online-Redaktion der HERO Handwerkersoftware waren vor Ort und haben sich mit Benita von Steinaecker, Abteilungsleiterin „Soziale Unternehmensentwicklung und Fachkräftezentrum” der Handwerkskammer Hannover getroffen.
Das Handwerk ruft: HERO trifft die Handwerkskammer Hannover
Die Nachwuchsgewinnung im Handwerk steht vor Herausforderungen, die über das Besetzen von Ausbildungsplätzen hinausgehen. Im Gespräch mit Benita von Steinaecker, Abteilungsleiterin „Soziale Unternehmensentwicklung und Fachkräftezentrum” der Handwerkskammer Hannover wird deutlich, dass weitaus mehr als nur Berufsinformation notwendig ist, um dem Fachkräftemangel im Handwerk entgegenzusteuern. Es geht darum, junge Menschen zu begeistern, Betriebe zukunftsfähig zu machen und das Handwerk als attraktiven Karriereweg zu positionieren.
Dabei zeigt sich, dass neue Ansätze vielfältig und kreativ sein müssen, um die richtigen Zielgruppen, etwa Schüler*innen oder Menschen, die sich beruflich umorientieren möchten, zu erreichen. Die Konkurrenz durch verschiedenste akademische Laufbahnen und andere Branchen ist groß, doch das Handwerk hat seine ganz eigenen Stärken: Mit einer Mischung aus Tradition und Innovation bieten Handwerksberufe nicht nur sichere Arbeitsplätze, sondern auch spannende Perspektiven für die persönliche und berufliche Weiterentwicklung.
Berufsorientierung: Früh ansetzen, vielseitig informieren
Ein zentraler Ansatzpunkt für die Nachwuchsgewinnung ist die Berufsorientierung. „Wir versuchen, Schülerinnen und Schüler frühzeitig anzusprechen und ihnen die Vielfalt des Handwerks nahezubringen“, erklärt Benita von Steinaecker. Dabei geht es nicht nur darum, konkrete Berufe vorzustellen, sondern über die Möglichkeiten der dualen Ausbildung zu sprechen. Viele Jugendliche wissen womöglich gar nicht, welche interessanten Berufe es gibt und welche spannenden Karrierewege sich damit eröffnen – das Angebot an verschiedenen Berufsmöglichkeiten, Ausbildungen und Studiengängen ist einfach zu groß geworden.
Praktika spielen eine entscheidende Rolle bei der Berufswahl: „Es ist wichtig, dass Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit bekommen, in Betriebe reinzuschnuppern und zu prüfen, ob das Handwerk zu ihnen passt“, sagt von Steineacker. Besonders in einer Zeit, in der ein Studium mehr Wertschätzung erfährt als eine Ausbildung, ist es entscheidend, die handwerklichen Berufe erlebbar zu machen. Das Handwerk punktet dabei mit seiner Vielfalt: Vom kreativen Design eines Tischlers bis zur Präzision eines Zahntechnikers gibt es unzählige Möglichkeiten, sich zu verwirklichen. Doch es braucht Geduld und Ausdauer, um diese Vielfalt sichtbar zu machen und Menschen abzuholen.
Vielfalt der Ansätze: Von Botschaftern bis zum Trialen Studium
Die Handwerkskammer Hannover setzt auf eine Vielzahl von Maßnahmen, um junge Menschen zu erreichen. Besonders erfolgreich sind Ausbildungsbotschafter – Azubis, die ihre Erfahrungen direkt an Gleichaltrige weitergeben. „Das Wissen auf Augenhöhe zu vermitteln, kommt unglaublich gut an“, berichtet von Steineacker. Die jungen Botschafter*innen besuchen Schulen und Veranstaltungen, um authentisch über ihre Ausbildung und ihren Berufsalltag zu sprechen.
Für besonders ambitionierte Menschen gibt es das Triale Studium, das Ausbildung, überfachliche Teile der Meisterausbildung und Studienabschluss kombiniert. Doch diese Programme sind anspruchsvoll: „Wer sich darauf einlässt, muss bereit sein, viel Zeit und Energie zu investieren“, sagt von Steinaecker. Dennoch bietet das triale Studium in den Fachrichtungen „Handwerksmanagement” und „Craft Design” eine einzigartige Möglichkeit, früh Verantwortung zu übernehmen und langfristig Führungspositionen in Betrieben zu erreichen. Solche Modelle zeigen, wie das Handwerk auf die wachsenden Anforderungen der modernen Arbeitswelt reagiert. Gleichzeitig wird deutlich, dass es nicht nur um die Vermittlung von Fachwissen geht, sondern auch darum, jungen Menschen Perspektiven für eine sinnstiftende Karriere aufzuzeigen.
Die Rolle von Social Media: Handwerk in den sozialen Netzwerken
Die Welt der sozialen Medien hat natürlich auch die Nachwuchsgewinnung im Handwerk erreicht und digitale Plattformen spielen eine immer größere Rolle, um junge Menschen zu erreichen. „Es gibt Regionen, in denen die Berufswahl stark davon beeinflusst wird, welche Influencer gerade angesagt sind“, berichtet von Steinaecker. Mit kreativen Kampagnen und authentischen Einblicken in den Arbeitsalltag versuchen immer mehr Betriebe, potenzielle Azubis in den sozialen Netzwerken zu erreichen.
Besonders beliebt sind kurze Videos (Reels), die die Vielfalt der Berufe im Handwerk zeigen – von Zimmerleuten über Elektriker*innen bis hin zu Profis für die moderne Gebäudereinigung kann man auf Instagram und TikTok bunten Handwerks-Content finden. Dabei ist es wichtig, nicht nur die Berufe selbst, sondern vor allem die Handwerker*innen in den Vordergrund zu stellen. Authentizität ist der Schlüssel, um Menschen anzusprechen und ihnen zu zeigen, wie spannend es etwa sein kann, eine Holztreppe zu bauen, was das coolste Werkzeug ist und wie man sich am besten auf die Gesellenprüfung als Maler*in vorbereitet.
Handwerkskammer Hannover: Campus Handwerk
Herausforderungen der Betriebe: Digitalisierung und Kommunikation
Das Problem des Nachwuchsmangels im Handwerk liegt aber nicht nur bei fehlendem Interesse auf Seiten junger Menschen – insbesondere im Hinblick auf fortschreitende Digitalisierung können Handwerksbetriebe selbst noch viel tun. „Die Digitalisierung hat das Handwerk stark verändert. Tablets und Kollaborationstools auf der Baustelle sind heute keine Seltenheit mehr, aber die Mitarbeitenden müssen die Relevanz dieser Technologien für die eigene Arbeit verstehen, sonst bleiben sie ungenutzt“, sagt von Steinaecker.
Auch in der Zusammenarbeit gibt es häufig noch Luft nach oben: „Oft genügt es schon, kleine Kommunikationsprobleme zu lösen, um auf der Baustelle besser zusammenzuarbeiten“, so von Steinaecker. Es ist wichtig, individuell auf die Bedarfe der MItarbeitenden einzugehen und auch den Rahmen für das Onboarding der Auszubildenden bewusst zu gestalten – immer mit Blick auf das eigene Betriebsklima. Dabei stehen viele Betriebe vor der Herausforderung, ihre Arbeitsabläufe zu modernisieren, ohne dabei ihre traditionellen Werte aufzugeben. Dieser Balanceakt zwischen Bewahrung von Strukturen und betrieblichem Fortschritt erfordert viel Fingerspitzengefühl und Reflexionsvermögen.
Interkulturelle Zusammenarbeit: Diversität im Handwerk
Ein weiterer Aspekt der Nachwuchsgewinnung ist die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. „Viele Betriebe sind offen dafür, haben aber Schwierigkeiten, die interkulturellen Herausforderungen zu meistern“, erklärt von Steinaecker. Mit speziellen Programmen, die versuchen, sprachliche und kulturelle Barrieren gezielt abzubauen, versucht die Handwerkskammer, Fachkräfte aus dem Ausland oder Menschen mit Migrationsgeschichte in die Betriebe zu integrieren.
„Für viele ist die Aussicht, später mal selbst einen Betrieb zu übernehmen, eine große Motivation, einen Handwerksberuf zu erlernen“, ergänzt sie. Doch der Integrationsprozess kann auf beiden Seiten viel Zeit und Geduld erfordern. Dabei geht es insbesondere darum, sprachliche Hürden zu überwinden, denn nur mit der sprachlichen Grundlage können sowohl eventuelle kulturelle Unterschiede als auch individuelle Bedürfnisse der Mitarbeitenden, des Teams oder auch der Führung konstruktiv thematisiert werden.
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Blick in die Zukunft des Handwerks: Offenheit als Erfolgsfaktor
Die größte Herausforderung – und zugleich die größte Chance – besteht darin, offen für die Sichtweisen junger Menschen zu sein. „Es klingt einfach, ist aber schwer umzusetzen“, erklärt von Steinaecker. Doch genau hier liegt der Schlüssel, um das Handwerk mit all seinen Facetten zukunftsfähig zu machen und Menschen für die Ausbildung zu begeistern. Wer bereit ist, sich auf die Bedürfnisse und Erwartungen der nächsten Generation einzulassen, wird mit seinem Betrieb wahrscheinlicher erfolgreich und zukunftsfähig bleiben.
Das bedeutet nicht nur, digitale Tools und neue Arbeitsmethoden zu integrieren, sondern auch, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die Vielfalt und Innovation fördert. Teammitglieder müssen sich aufeinander einlassen können, voneinander lernen und besonders den Austausch mit Auszubildenden fördern, denn das praktische Handwerk lernen Menschen immer noch vor Ort - doch die lehrreiche und inspirierende Zusammenarbeit in Betrieb, Werkstatt und Außendienst funktioniert nur, wenn informativer Austausch, eine progressive Betriebsstruktur und Teamwork auf Augenhöhe möglich sind.
Neugierig geworden auf eine Ausbildung im Handwerk?
In Teil eins und zwei dieser dreiteiligen Reportage-Reihe waren wir in einer Tischlerei und in einer Goldschmiede und haben uns mit den Azubis unterhalten. Wir haben uns über die Berufsschule, über die Arbeit im Betrieb und über ihre individuellen Berufswege unterhalten. Außerdem gibt’s einen Reality-Check zum Beruf Tischler*in und Goldschmied*in. Klingt spannend? Dann lern in Teil 1 zu Azubis in der Tischlerei und Teil 2 zu Azubis in der Goldschmiede mehr über die Ausbildung im Handwerk – ehrlich, praxisnah und direkt von den Azubis!

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