Status quo in 2020
Der Fachkräftemangel im Handwerk ist kein neues Phänomen. Nach wie vor gibt es einen großen Mangel an qualifizierten Fachkräften. Immer weniger junge Menschen entscheiden sich dafür, einen handwerklichen Beruf zu erlernen und aktuell kommen durch die Corona-Pandemie und die angespannte wirtschaftliche Lage neue Schwierigkeiten dazu.
Jedes Jahr bleiben nach Angaben des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) rund 15.000 Ausbildungsplätze und 200.000 offene Stellen unbesetzt. Mittlerweile fehlen in fast allen Gewerken qualifizierte Mitarbeiter. 40 Prozent der Handwerksbetriebe haben inzwischen Probleme, ihre offenen Stellen zu besetzen. Betroffen sind fast alle Regionen in Deutschland, je nach Gewerk gibt es leichte Unterschiede.
Statistiken zum Fachkräftemangel
Es werden regelmäßig verschiedene Statistiken zum Thema Fachkräftebedarf in Deutschland veröffentlicht. Die Bundesagentur für Arbeit etwa erstellt jedes Jahr eine Fachkräftebedarfsanalyse sowie viele weitere Berichte und Statistiken rund um das Thema Erwerbsarbeit und Arbeitsmarkt. Weitere Statistiken zum Fachkräftemangel stellen die jeweiligen Industrie- und Handelskammern, die Bundeszentrale für politische Bildung sowie Zentralverbände wie der ZDH zur Verfügung. Teilweise führen auch private Unternehmen Studien oder Befragungen durch, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. So hat beispielsweise das Zeitarbeitsunternehmen Manpower die Studie „Fachkräftemangel 2019“ in Auftrag gegeben.
Fasst man die Studien in Bezug auf die Handwerksbranche zusammen, ergeben sich ähnliche Ergebnisse. Es zeigt sich, dass das Handwerk im Vergleich zu anderen Branchen überproportional betroffen ist. Handwerkliche Berufe stehen deutschlandweit ganz oben auf der Liste der am schwierigsten zu besetzenden Stellen. Insbesondere die Baubranche benötigt dringend Fachkräfte.
Verteilung innerhalb des Handwerks
Laut Einschätzung des Zentralverbands des Deutschen Handwerks betrifft der Fachkräftemangel mittlerweile fast alle Gewerke. Besonders stark betroffen sind die Berufsgruppen aus dem Baugewerbe, dem Metall- und Elektrogewerbe sowie dem Holzgewerbe. Bis heute werden Schweißer, Tischler, Metallbauer, Mechaniker und Elektriker händeringend gesucht. Neu dazugekommen sind laut Informationsdienst des Instituts für deutsche Wirtschaft unter anderem Berufe in der Kältetechnik, der Hörgeräteakustik, der Land- und Baumaschinentechnik sowie der Fahrzeugelektronik.
Eine Befragung des ZDH aus dem 1. Quartal 2019 ergab, dass die Wartezeit zwischen Auftragseingang und Auftragsausführung im Handwerk allgemein (alle Gewerke) im Schnitt bei 9,9 Wochen liegt. An der Spitze der Wartezeit stand im ersten Quartal 2019 das Baugewerbe mit 14,5 Wochen, am schnellsten fand die Auftragsumsetzung in diesem Zeitraum im Kraftfahrzeuggewerbe statt. Die langen Wartezeiten zeigen, dass in den genannten Bereichen Fachkräfte fehlen.
Gewerk | Durchschnittliche Wartezeit in Wochen (zwischen Auftragseingang und -ausführung) |
---|---|
Bau | 14.5 Wochen |
Ausbau | 10.9 Wochen |
Lebensmittel | 4.6 Wochen |
Gesundheit | 3.7 Wochen |
Lebensmittel | 4.6 Wochen |
Gesamthandwerk | 9.9 Wochen |
Regionale Unterschiede
Ebenso wie zwischen den Gewerken gibt es auch regional leichte Unterschiede bezogen auf die Intensität des Fachkräftebedarfs. Darüber hinaus werden in den einzelnen Bundesländern teilweise manche Berufsgruppen stärker gesucht als andere. Die Bundesagentur für Arbeit hat in ihrer Bedarfsanalyse für das Jahr 2019 festgestellt, dass der Süden Deutschlands generell etwas stärker vom Fachkräftebedarf im Handwerk betroffen ist als der Norden. Dies lässt sich aber nicht für alle Gewerke verallgemeinern.
Speziell Fachkräfte aus dem Hochbau, Aus- und Trockenbau sind in den südlich gelegenen Bundesländern Mangelware. Zudem werden im Süden Deutschlands ausgebildete Kräfte aus den Bereichen Holzverarbeitung, Metallbau und Schweißtechnik gesucht. In den westlichen Bundesländern fehlen aktuell überproportional viele Fachkräfte aus dem Tiefbau. In den Gewerken Sanitär-Heizung-Klima, Kältetechnik, Energietechnik und dem Gesundheitswesen fehlen bundesweit Fachkräfte. Bei den Berufen aus den Feldern Mechatronik und Automatisierung sieht es bundesweit ähnlich aus.
Region | Gewerke mit Fachkräftemangel |
---|---|
Bundesländer im Süden | Hochbau, Aus- und Trockenbau, Holzverarbeitung, Metallbau und Schweißtechnik |
Bundesländer im Westen | Tiefbau |
Bundesweit | Sanitär-Heizung-Klima, Kältetechnik, Energietechnik, Gesundheitswesen, Mechatronik und Automatisierung |
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Gründe: Warum gerade im Handwerk?
Das Handwerk hat schon lange Probleme mit seinem Image. Häufig werden Handwerksberufe mit körperlich anstrengender Arbeit bei gleichzeitig niedrigem Lohn und geringer Anerkennung verbunden. Auch gegenüber Frauen hat die immer noch eher traditionell eingestellte Handwerksbranche mit Imageproblemen zu kämpfen. Die Digitalisierung im Handwerk, beispielsweise durch die digitale Zeiterfassung, kann das angestaubte Bild modernisieren.
Der oftmals schlechte Ruf des Handwerks spiegelt sich auch in den geringen Ausbildungsquoten wider. Jährlich fehlen rund 15.000 Auszubildende, sodass der Nachwuchsmangel im Handwerk einen der Hauptgründe für den hohen Fachkräftebedarf darstellt. Wenn Jugendliche eine Berufsausbildung im Handwerk beginnen, führen sie diese in vielen Fällen nicht zu Ende. Immer mehr junge Menschen entscheiden sich dann doch noch fürs Studieren, da sie sich hierdurch bessere Karrierechancen versprechen. Demografischer Wandel und sinkende Schulabgängerzahlen verstärken diesen Trend.
Welche Probleme entstehen dadurch?
Durch den hohen Bedarf an qualifizierten Fachkräften in mittlerweile fast allen Bereichen des Handwerks kommt es zu einer großen Menge an unbesetzten Stellen. Jährlich können circa 200.000 Stellen im Handwerk nicht besetzt werden, da nicht ausreichend ausgebildete Kräfte auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Die freien Stellen in den Handwerksbetrieben führen wiederum zu Auftragsstau und/oder Verzögerungen. Aufträge können von den Handwerkern nicht so angenommen werden, wie sie gern würden, und Kunden suchen teilweise wochenlang verzweifelt nach einem Handwerker.
Aber nicht nur private Kunden warten verzweifelt auf Handwerker, auch die öffentlichen Stellen finden kaum noch Handwerksbetriebe, die sich auf die Ausschreibungen bewerben. Bauprojekte werden ausgebremst und immer wieder verschoben. Auch Projekte, welche die öffentliche Infrastruktur betreffen, wie Straßenbau und Brückensanierungen, verzögern sich dadurch immens. An eine flächendeckende energetische Gebäudesanierung als unverzichtbare Voraussetzung für die Erreichung der Klimaziele ist unter diesen Umständen nicht zu denken.
Gute Mitarbeiter im Handwerk finden
Du bist selbst Inhaber eines Handwerksunternehmens und suchst gut ausgebildete Mitarbeiter? An der Anzahl der Fachkräfte innerhalb der Branche kannst du persönlich zwar nichts ändern, aber wenn du die folgenden Tipps beachtest, steigt deine Chance, qualifiziertes Personal zu finden.
Nutze verschiedene Kanäle, online und offline. Klassischerweise solltest du die zu besetzenden Stellen auf Online-Stellenbörsen veröffentlichen. Die jungen Menschen erreichst du heute am einfachsten über soziale Medien wie Facebook und Instagram sowie jobspezifische Plattformen wie Xing oder LinkedIn. Eine eigene Firmenwebsite ist dabei unumgänglich.
Aber auch offline solltest du auf deine Stellenangebote aufmerksam machen, indem du sie ganz klassisch in Tageszeitungen oder Fachzeitschriften veröffentlichst. Häufig wird auch die lokale Personalsuche vernachlässigt, dabei bieten Kooperationen mit Vereinen, anderen Betrieben oder Schulen hierbei ein großes Potenzial. Sei also auch vor Ort präsent und nimm an regionalen Ausbildungsmessen etc. teil.
Sicher einer der wichtigsten Aspekte bei der Personalgewinnung im Handwerk, ist die eigene Nachwuchssicherung durch Aus- und Weiterbildung. Biete, wenn möglich Anreize für Jugendliche (Führerschein, Wohnung, Vergütung etc.) und versuche, auch Frauen gezielt anzusprechen. Weitere Möglichkeiten, um langfristig Fachkräfte zu finden, bieten Personalvermittlungs- und Leiharbeitsfirmen, daneben werden vermehrt Fachkräfte aus dem europäischen Ausland rekrutiert.
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Kritik: Es gibt gar keinen Fachkräftemangel
Immer wieder gibt es aus verschiedenen Richtungen Kritik am Fachkräftemangel, bis hin zu dem Vorwurf, es würde ihn gar nicht geben. Tatsächlich gibt es keinen flächendeckenden Fachkräftemangel in Deutschland, bei einer genaueren Betrachtung lassen sich aber doch Engpässe in verschiedenen Branchen und Regionen feststellen.
Das Handwerk ist neben der Pflege eine dieser Branchen, in denen vergleichsweise viele Fachkräfte fehlen. Zwar gibt es, wie oben beschrieben, innerhalb des Handwerks Unterschiede in den einzelnen Gewerken, aber wenn die Branchen berufsübergreifend verglichen werden, ist das Handwerk mit am stärksten vom Fachkräftebedarf betroffen. Oft wird dem Handwerk vorgeworfen, es würde den Fachkräftemangel nur vorschieben, und die wahren Gründe für das Fehlen der Fachkräfte würden in den schlechten Arbeitsbedingungen liegen. Das ist zum Teil sicherlich richtig, es kommen aber noch viele Faktoren dazu. Letztendlich lässt sich der Fachkräftebedarf weder deutschlandweit noch branchenübergreifend verallgemeinern - im Handwerk existiert er 2020 durchaus, besonders im Bau- und Metallgewerbe.
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