Europäische Vergaberichtlinien

EU-Vergaberecht wird reformiert: Losvergabe soll Standard werden

Michel Vo  | 09.07.2025  |  Lesezeit: Minuten

Kleine Lose, große Wirkung: Die EU will das Vergaberecht reformieren und damit Handwerksbetrieben aus dem Mittelstand den Zugang zu öffentlichen Aufträgen erleichtern. Erfahre hier, was sich europaweit bei der Losvergabe ändern soll.

Bild: Eine Reform des EU-Vergaberechts will das Losverfahren stärken
Eine geplante Reform der EU-Vergaberichtlinien bei öffentlichen Aufträgen wird vor allem kleinen und mittleren Unternehmen zugutekommen. | © thichas/Envato.com

Neue Vergaberichtlinien: EU stärkt Betriebe aus dem Mittelstand

Gute Nachrichten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) aus dem Handwerk: Die Europäische Union plant eine Reform der EU-Vergaberichtlinien, die Betrieben aus dem Mittelstand den Zugang zu öffentlichen Aufträgen erleichtern soll. Der Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments hat hierzu am 8. Juli 2025 einen Initiativbericht angenommen, der die Losvergabe europaweit als Regelfall etablieren will.

Demnach sollen größere Ausschreibungen grundsätzlich in kleinere Einheiten aufgeteilt werden. Diese Fach- und Teillose können dann an mehrere Betriebe vergeben werden, wovon vor allem kleine und mittelständische Handwerksbetriebe profitieren dürften. Bisher erlaubt das EU-Vergaberecht zwar bereits die Aufteilung in Lose, einen rechtlichen Vorrang für die Losvergabe gibt es aber nicht. Die Entscheidung für eine Gesamtvergabe muss aktuell also nicht begründet werden – künftig sollen öffentliche Auftraggeber hingegen dazu verpflichtet werden, Abweichungen von der Losvergabe ausdrücklich zu rechtfertigen. Damit haben KMU deutlich bessere Chancen, am Ausschreibungsprozess teilzunehmen.

Neben der Stärkung des Mittelstands sieht das Papier auch Änderungen in weiteren Bereichen des Vergaberechts vor: Unter anderem soll der Schwerpunkt bei der Vergabe künftig nicht mehr allein auf dem niedrigsten Preis liegen. Insbesondere soziale und ökologische Aspekte sollen dabei stärker berücksichtigt werden. „Wenn ein Projekt zunächst sehr billig ist, können sich die späteren, verpflichtenden Wartungskosten als deutlich höher erweisen als bei alternativen Projekten. Zudem können billigere Materialien der Umwelt schaden, und die Arbeitsbedingungen bei Niedrigpreisprojekten sind oft sehr schlecht“, so die Erklärung der EU-Parlamentarier.

Teillose und Fachlose: So profitieren Handwerksbetriebe von kleinteiligen Ausschreibungen

Bei einer öffentlichen Ausschreibung stehen Auftraggebern zwei Optionen offen: die Gesamtvergabe oder die Losvergabe. Bei einer Gesamtvergabe wird der gesamte Auftrag an einen einzigen Bieter vergeben, der dann den vollständigen Leistungsumfang übernimmt. Anders sieht es bei der Losvergabe aus – hier wird der Auftrag in eigenständige Einheiten aufgeteilt, sogenannte Lose. Während Fachlose einen Auftrag nach verschiedenen Gewerken oder Leistungsarten trennen, unterteilen Teillose einen Auftrag nach Menge oder Arbeitsort.

Ein Beispiel: Beim Bau eines Mehrfamilienhauses lässt sich die Gesamtleistung in Maurer- und Betonarbeiten, Maler- und Bodenbelagsarbeiten, Elektroinstallationen, Heizungs- und Sanitärinstallationen sowie den Einbau von Fenstern und Außentüren unterteilen. Jedes dieser Fachlose wird dann an einen unterschiedlichen Betrieb vergeben, etwa an spezialisierte Fensterbaufirmen oder SHK-Unternehmen. Innerhalb eines Fachloses können obendrein zusätzliche Teillose gebildet werden, etwa für die Aufteilung nach Etagen.

Sowohl Fachlose als auch Teillose erhöhen den Wettbewerb und verbessern die Chancen für Unternehmen aus dem Handwerk, sodass sich mittelständische Betriebe gezielt auf einzelne Teilbereiche bewerben können. In Deutschland ist die Losvergabe deshalb bereits rechtlich verankert: Gemäß § 97 Abs. 4 GWB sind öffentliche Auftraggeber zur Losvergabe angehalten, um die faire Beteiligung von kleinen und mittleren Unternehmen sicherzustellen. Ausnahmen aus wirtschaftlichen, technischen oder zeitlichen Gründen sind dennoch möglich, diese müssen dann aber nachvollziehbar und eindeutig dokumentiert werden.

Losvergabe als Chance: Breite Zustimmung aus dem Handwerk

Die Reformpläne aus Brüssel stoßen bei Handwerksverbänden auf breite Zustimmung. Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), bezeichnet die Losvergabe etwa als „Türöffner“ für Betriebe im Handwerk. Zu einem ähnlich positiven Fazit kommt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB): „Der Ausschuss hat sich klar dafür ausgesprochen, kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu öffentlichen Aufträgen deutlich zu erleichtern. [...] Dieses Prinzip hat sich in Deutschland bewährt und sorgt seit Jahren für fairen Wettbewerb. Die Losvergabe ist Herzstück eines gesunden Wettbewerbs und sorgt für gute Preise für den Steuerzahler. [...] Wir begrüßen diesen Schritt ausdrücklich.“

Gleichzeitig mahnen sowohl Pakleppa als auch Schwannecke an, die Entwicklung auf europäischer Ebene nicht durch nationale Rückschritte zu gefährden. „Mit Blick auf das Infrastrukturpaket darf Deutschland jetzt nicht den Fehler machen, im nationalen Recht gegenzusteuern und die Losvergabe zu schwächen. Es wäre absurd, wenn wir auf europäischer Ebene Fortschritte erzielen und gleichzeitig auf Bundesebene zurückrudern”, so Pakleppa.

Der angenommene Initiativbericht ist zunächst lediglich eine Empfehlung an die EU-Kommission, ein konkreter Gesetzesentwurf zur Reform des EU-Vergaberechts wird daher für Ende 2026 erwartet. Erst danach beginnt das offizielle Gesetzgebungsverfahren in Parlament und Rat, ehe die Stärkung des Losverfahrens offiziell auf europäischer Ebene in Kraft treten kann.

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