Baustelle statt Bordcomputer: Wie Künstliche Intelligenz den Handwerkeralltag erobert
In Stanley Kubricks Science-Fiction-Klassiker 2001: Odyssee im Weltraum (1968) ging der Bordcomputer HAL 9000 als berühmtes Beispiel für eine fortgeschrittene künstliche Intelligenz in die Filmgeschichte ein. Unter anderem war HAL dazu in der Lage, ein komplettes Raumschiff automatisch zu regulieren – selbst die Temperatur an Bord. Mehr als 50 Jahre später ist diese Vorstellung keine bloße Fantasie mehr, denn moderne KI-Systeme können in Echtzeit bei der Anpassung von Heiz- und Kühlsystemen mitwirken und so die Temperatur in Gebäuden optimieren.
Künstliche Intelligenz (KI) bzw. Artificial Intelligence (AI) ist also längst kein Zukunftsthema mehr, auch im Handwerk ist das Interesse dementsprechend groß. Eine aktuelle Studie zeigt: Etwa die Hälfte aller Handwerksbetriebe in NRW hat sich über Einsatzmöglichkeiten für KI informiert, knapp ein Drittel setzt Künstliche Intelligenz zumindest bereits in irgendeiner Form ein oder plant eine baldige Implementierung1 – Tendenz steigend.
Kein Wunder, denn die Palette an verfügbaren Tools ist vielfältig: Neben klassischen sprachbasierten Multitalenten wie ChatGPT und Google Gemini oder Übersetzungsdiensten wie DeepL gibt es mit HelloPetra beispielsweise sogar eine digitale KI-Bürokraft und Telefonistin, die speziell für das Handwerk entwickelt wurde. Klingt spannend? Wir stellen dir in einem separaten Artikel die nützlichsten KI-Tools für Handwerker ausführlich vor.
So nutzen SHK-Betriebe KI schon heute
Gestern HAL, heute SHK? Durchaus! Künstliche Intelligenz ist auch in Sanitär, Heizung und Klimatechnik angekommen und kann Handwerker unauffällig, aber dennoch sinnvoll unterstützen. Besonders im Büro zeigt sich, wie KI-Systeme Zeit sparen und Abläufe vereinfachen – bestes Beispiel sind Chatbots, die rund um die Uhr Kundenanfragen beantworten und passende Produkte vorschlagen können. Die nordrhein-westfälische Sanitärfirma Blome geht sogar noch weiter und setzt einen Chatbot im Recruiting ein: Eine Künstliche Intelligenz übernimmt den Erstkontakt mit Bewerbern und fragt dabei alle relevanten Informationen ab. Bewerbungsunterlagen werden deshalb nicht benötigt, wodurch beide Seiten viel Zeit einsparen können.2
Auch in der Einsatzplanung eröffnen sich neue Möglichkeiten. Wie sich Künstliche Intelligenz kreativ einsetzen lässt, beweist etwa der Augsburger Traditionsbetrieb GBS Kühlanlagen GmbH: Eine KI-basierte Software analysiert offene Aufträge sowie verfügbare Mitarbeiter und berechnet dann anhand Live-Daten aus Google Maps direkt die optimale Route für die Anfahrt. Dadurch wird die Auslastung der Handwerker optimiert – ein spürbarer Effizienzgewinn, der sich auch wirtschaftlich rentiert.
Dominik Stark, Geschäftsführer der GBS Kühlanlagen GmbH, betont daher: „Man sollte keine Angst vor der Einführung von KI haben. Selbst wenn Fehler passieren, ist das Teil des Lernprozesses. Wer sich nicht mit neuen Technologien beschäftigt, wird schnell ins Hintertreffen geraten.“3
Energie sparen leicht gemacht: Heizungssteuerung mit KI
Soll eine Heizung vorausschauend reguliert und an warmen Frühlingstagen automatisch heruntergefahren werden? Mit modernen KI-Systemen ist das bereits möglich: Sie werden direkt mit der Heizungsanlage verbunden und nutzen dann Wetterdaten, um das Nutzungsverhalten in Echtzeit anzupassen.
Wie das funktionieren kann, zeigt das Berliner Startup Metr. Das Unternehmen hat ein Zusatzgerät entwickelt, welches den Außentemperaturfühler einer Heizungsanlage ersetzt und mithilfe von KI die optimale Vorlauftemperatur berechnet. Davon ausgehend wird ein Befehl an den Heizungsregler gesendet, der die Heizung hoch- bzw. herunterfährt, ohne dass jemand eingreifen muss. Damit sind bis zu 20 % Energieeinsparung möglich!
Und auch bei intelligenten Thermostaten spielt KI eine immer größere Rolle. Der Hersteller Vilisto hat beispielsweise neuartige Geräte mit integrierten Sensoren für Schall, Licht und Bewegung entwickelt. Dadurch lässt sich die Anwesenheit von Personen registrieren, eine KI wertet diese Daten aus und sorgt dafür, dass nur dann geheizt wird, wenn der Raum auch tatsächlich genutzt wird. Das Produkt ist vor allem auf Nichtwohngebäude wie Büros ausgerichtet und soll die aufgewendete Heizenergie idealerweise um ungefähr 20–30 % reduzieren.
Solche Lösungen zeigen, wie KI-unterstützte Lösungen aus dem SHK-Bereich den Energieverbrauch für Kunden spürbar reduzieren können. Gerade in Zeiten hoher Strom- und Gaspreise ist das durchaus ein attraktives Verkaufsargument.
Predictive Maintenance: Wartung neu gedacht
Probleme vermeiden, ehe sie überhaupt auftreten – auf diesem Präventivkonzept fußt Predictive Maintenance, auf Deutsch „vorausschauende Wartung“. Bei dieser Strategie werden Anlagen kontinuierlich überwacht, um potenzielle Ausfälle zu antizipieren. Im SHK-Handwerk werden dafür Heizungs-, Lüftungs- oder Kälteanlagen mit IoT-Sensoren ausgestattet, die permanent Daten zu Leistung, Temperatur, Druck oder Energieverbrauch liefern. KI-Algorithmen werten diese Daten dann in Echtzeit aus, erkennen Muster und können Handwerksbetrieben so frühzeitig Hinweise auf mögliche Störungen oder hohen Verschleiß liefern.
Ein praktisches Beispiel liefert der Energiedienstleister Techem mit seinem KI-unterstützten „Techem Smart Monitor“: Die Lösung überwacht Heizungsanlagen in Mehrfamilienhäusern vollautomatisch und schlägt Alarm, wenn sich Störungen anbahnen – sogar noch ehe die Bewohner selbst etwas merken. Gleichzeitig analysiert das System die Effizienz der Anlage und nimmt bei Bedarf automatische Anpassungen vor, damit die Heizung immer im optimalen Bereich läuft.
Solche Technologien ermöglichen nicht nur die effektive Problembehebung noch vor dem gravierenden Komplettausfall, sondern sorgen auch dafür, dass Gebäudesysteme möglichst energiesparend agieren. Somit erhöht Predictive Maintenance sowohl die Effizienz im Handwerksbetrieb als auch die Klimaverträglichkeit der Heizungs- und Klimaanlagen – eine echte Zukunftsinnovation.
Praxisbeispiel: Myrspoven (Schweden)
Für ein besonders erfolgreiches Projekt, bei KI ganzheitlich eingesetzt wurde, lohnt sich ein Blick nach Schweden: Das lokale Start-up Myrspoven, welches mit „myCoreAI“ auch eine skalierbare SHK-Komplettlösung für das Gebäudemanagement anbietet, optimiert gemeinsam mit dem städtischen Betreiber SISAB die Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen von 624 Schulgebäuden in Stockholm – ohne teure Umbauten, aber dafür mit systematischer Unterstützung durch Künstliche Intelligenz.
Die KI-Lösung wurde auf das bestehende Gebäudeleitsystem aufgesetzt und analysiert seither kontinuierlich interne Daten wie Temperaturen, Luftqualität und Energieverbrauch sowie externe Faktoren wie Wetterprognosen. Auf dieser Basis passt sie die Einstellungen in Echtzeit an – ähnlich wie ein virtueller Hausmeister. Die Ergebnisse nach nur fünf Monaten Betrieb sprechen für sich: 4 % weniger Heizenergie, 15 % weniger Stromverbrauch, 205 Tonnen weniger CO₂-Emissionen und 23 % weniger Beschwerden von Bewohnern. Myrspoven demonstriert somit eindrucksvoll, wie KI im Rahmen einer SHK-Komplettlösung schon jetzt dabei helfen kann, bestehende Anlagen effizienter, nachhaltiger und komfortabler zu betreiben.
Ein Blick in die Zukunft: 5 spannende Forschungsprojekte
Willst du deinen Kunden immer die modernsten und innovativsten Technologien anbieten? Auch wenn Künstliche Intelligenz im SHK-Bereich noch am Anfang steht, wird weltweit intensiv daran geforscht, wie smarte Systeme den Betrieb von Heizungs-, Sanitär- und Klimaanlagen noch effizienter, nachhaltiger und komfortabler machen können. Wir stellen dir anhand von fünf spannenden KI-Projekten vor, was schon jetzt im Großen wie im Kleinen möglich ist – und wo die Reise zukünftig hingehen könnte.
Sprachgesteuerte Wartung
Beim vom Bund geförderten Projekt MEISTERWÄRME wird ein KI-Assistenzsystem für die Wartung von Heizungsanlagen entwickelt. Mithilfe sprachgesteuerter KI sollen Störungen automatisch erkannt, Fehler analysiert und Serviceprozesse optimiert werden. Damit lassen sich Wartungseinsätze schneller und kostengünstiger gestalten.
Leckortung in Wasserleitungen
Das britische Unternehmen FIDO Tech will akustische Sensoren und KI nutzen, um Lecks in Wasserleitungen präzise zu lokalisieren und deren Größe einzuschätzen, denn durch solche Lecks gehen mitunter bis 30-40 Prozent des Trinkwassers verloren. Mit KI-gestützter Technologie lassen sich Lecks dann schneller identifizieren und reparieren.

Smarte Gebäudesteuerung am MIT
Am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA testen Forscher KI-gesteuerte Heiz- und Kühlsysteme für Gebäude auf dem Uni-Campus. Sensoren erfassen Belegung, Wetter und Energiepreise und steuern die Raumtemperaturen dynamisch. Erste Ergebnisse zeigen bereits deutliche Energieeinsparungen!
Virtuelles Gebäudemodell
Das Unternehmen Optimise AI entwickelt „digitale Zwillinge“ für Gebäude, um Energieverbräuche zu simulieren und gezielt zu reduzieren. Die Plattform kann auch ohne bestehendes Gebäudemanagementsystem genutzt werden und verspricht bis zu 40 % weniger Energieverbrauch – ein großer Hebel für Effizienz und Klimaschutz.
Intelligentes Fernwärmenetz
In Karlshamn (Schweden) wurde ein KI-gestütztes Fernwärmenetz aufgebaut, das 1.500 Gebäude mit erneuerbarer Wärme versorgt. Die KI analysiert Wetterdaten und Verbrauchsmuster und optimiert den Energiefluss in Echtzeit. Das Ergebnis: maximale Effizienz bei gleichzeitig hoher Versorgungssicherheit – ein Vorzeigemodell für smarte Wärmeversorgung.
Fazit: Künstliche Intelligenz – der Erfolgsfaktor von morgen
Künstliche Intelligenz ist längst mehr als nur ein Hirngespinst von ambitionierten Tech-Visionären oder SciFi-Träumern – auch im SHK-Handwerk. Ob intelligente Heizungssteuerung, vorausschauende Wartung oder ganzheitliches Energiemanagement: KI optimiert SHK-Systeme, sodass Haushalte und Gebäudebetreiber ihren Energieverbrauch weiter reduzieren können. Wer sich hier stetig über die neuesten Entwicklungen informiert, leistet nicht nur einen Beitrag zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit, sondern kann bei Kunden durch smarte Lösungen punkten.
Aber auch in deinem Arbeitsalltag als Handwerker kann Künstliche Intelligenz von großem Nutzen sein – und sei es nur durch die Nutzung von ChatGPT für den neuesten Post auf Instagram. Doch Auftragsabwicklung, Einsatzplanung, Lagerverwaltung oder Kundenbetreuung sind ebenso mögliche Einsatzfelder. Bis zur flächendeckenden Nutzung von KI in SHK-Betrieben dürfte hingegen noch etwas Zeit vergehen, denn oftmals fehlen Schnittstellen zu bestehender Software oder das nötige Know-how im Team. Gerade für kleinere Betriebe sind zudem die Investitionskosten und der Schulungsaufwand nicht leicht zu stemmen. Hinzu kommen offene rechtliche Fragen, etwa zu Haftung oder Datenschutz. Die gute Nachricht: Der Einstieg muss weder teuer noch kompliziert sein. Wer heute anfängt, sich mit KI auseinanderzusetzen, verschafft sich einen Vorsprung für die SHK-Welt von morgen.
Quellen
1KIDiHa (2024): KI-Index Handwerk.NRW 2024, https://www.ki-di-ha.de/ki-studie/
2KIDiHa (2024): Einsatz eines Chatbots zur Verbesserung der Mitarbeitergewinnung, https://www.ki-di-ha.de/angebote-fuer-das-handwerk/anwendungsbeispiele/chatbot-zum-recruiting/
3KIDiHa (2024): Mit KI die Routenplanung, Datenanalyse und Social-Media-Kommunikation verbessern, https://www.ki-di-ha.de/angebote-fuer-das-handwerk/anwendungsbeispiele/chatbot-zum-recruiting/
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