Koalitionsvertrag & Handwerk

Streitpunkt Stromsteuer: Energie- und Klimapolitik im Koalitionsvertrag auf dem Prüfstand

Michel Vo  | 04.07.2025  |  Lesezeit: Minuten

Zwischen Stromsteuer und Sanierungsschub: Der neue Koalitionsvertrag kündigt diverse Reformen in der Klima- und Energiepolitik an – manche davon mit direkter Auswirkung auf das Handwerk. Wir analysieren, was das konkret bedeutet und welche Vorhaben noch unklar, umstritten oder bereits gescheitert sind.

Bild: Koalitionsvertrag 2025
Mit der gestrichenen Senkung der Stromsteuer ist ein Vorhaben der neuen Bundesregierung bereits Geschichte. Wir betrachten genauer, was der Koalitionsvertrag im Bereich Klima und Energie für das Handwerk bereithält.

Energiewende & Klimapolitik: Was jetzt auf das Handwerk zukommt

Ähnlich wie ihre Vorgänger bekennt sich die neue Bundesregierung zu den europäischen Nachhaltigkeitszielen und visiert unter anderem die Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 an. Dementsprechend nimmt auch die Energie- und Klimapolitik einen zentralen Platz im Koalitionsvertrag ein, der unter dem aussagekräftigen Titel „Verantwortung für Deutschland“ veröffentlicht wurde.

Wir wollen die Energiewende transparent, planbar und pragmatisch zum Erfolg machen. Bei der Energiewende machen wir Wirtschaft und Verbraucher stärker zu Mitgestaltern [...]. Wir wollen alle Potenziale der Erneuerbaren Energien nutzen. Dazu gehören Sonnen- und Windenergie sowie Bioenergie, Geothermie, Wasserkraft sowie aus diesen hergestellte Moleküle.1

(Wortlaut aus dem Koalitionsvertrag 2025)

Gerade für das Handwerk bringt das Vorantreiben der Energiewende große Veränderungen, aber auch große Chancen mit sich. Ob neue Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen oder Gebäudesanierungen: Für die Umsetzung der Klimaziele werden gut ausgebildete Fachkräfte aus Branchen wie Bau, SHK oder Solar benötigt. Das Handwerk ist somit einer der Motoren der Energiewende – und steht gleichzeitig vor der Herausforderung, die technischen, rechtlichen und bürokratischen Rahmenbedingungen schnell und effizient umzusetzen.

Die Bundesregierung hat sich dafür viel vorgenommen, wobei konkrete Maßnahmen jedoch nur manchmal benannt werden. Welche Änderungen kann das Handwerk also für die kommende Legislaturperiode erwarten? Wir haben den Koalitionsvertrag für dich unter die Lupe genommen und dabei drei Kernthemen identifiziert:

ThemaBedeutung fürs Handwerk
Entlastung bei EnergiepreisenGeplante Absenkung der Stromsteuer auf das EU-Mindestmaß
HeizungsgesetzFormulierung eines neuen Gebäudeenergiegesetzes (GEG)
SanierungsoffensiveNeue steuerliche Anreize für Altbausanierung

Wahlversprechen nicht erfüllt: Was passiert mit der Stromsteuer?

Die Kosten für Energie bewegen sich in Deutschland schon seit Jahren auf konstant hohem Niveau, in kaum einem anderen EU-Land fallen derart hohe Strom- und Gaspreise an – zum Leidwesen von Unternehmen und Haushalten. Sowohl die Union als auch die SPD hatten daher die Entlastung von Wirtschaft und Verbraucher*innen in ihrem Wahlprogramm angekündigt, was im Koalitionsvertrag schließlich vor allem in der angekündigten Senkung der Stromsteuer verankert wurde.

Wir wollen Unternehmen und Verbraucher in Deutschland dauerhaft um mindestens fünf Cent pro kWh mit einem Maßnahmenpaket entlasten. Dafür werden wir als Sofortmaßnahme die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß senken und Umlagen und Netzentgelte reduzieren.

(Wortlaut aus dem Koalitionsvertrag 2025)

Bei einer Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß wären für Haushalte 0,1 Cent, für Betriebe sogar nur 0,05 Cent pro Kilowattstunde fällig gewesen – gerade in stromintensiven Branchen eine entscheidende finanzielle Entlastung. Nach tagelangen Sitzungen und Diskussionen im Koalitionsausschuss ist nun gerade einmal wenige Monate nach Veröffentlichung des Koalitionsvertrags klar: Die geplante flächendeckende Stromsteuersenkung kommt nicht.

Zwar wird die Stromsteuer in der Tat für Industrie sowie Land- und Forstwirtschaft reduziert, kleinere und mittlere Unternehmen (und somit auch Handwerksbetriebe) sind davon aber ausgenommen. Zur Begründung verweist Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auf die angespannte Haushaltslage: „Alle Pläne aus dem Koalitionsvertrag stehen unter einem Finanzierungsvorbehalt […]. Wir können nur das Geld ausgeben, das wir haben.“ 5,4 Milliarden Euro wären für die Finanzierung dieser Steuerentlastung notwendig gewesen – eine Summe, für die im Haushaltsplan offenbar kein Platz ist.

Die Bundesregierung betont, dass weitere Maßnahmen wie die ebenfalls im Koalitionsvertrag verlautbarte Deckelung der Netzentgelte für geringere Energiekosten sorgen würden. Diese Argumentation überzeugt jedoch nur die wenigsten, das Medienecho auf die ernüchternde Entscheidung der Großen Koalition ist durchgehend negativ, und auch aus Reihen der Opposition wird der Regierung Wortbruch vorgeworfen.

Klar ist: Mit der ausbleibenden Senkung der Stromsteuer wird ein zentrales Wahlversprechen auf Eis gelegt. Ist es möglich, dass die Maßnahme noch nachträglich umgesetzt wird? Theoretisch ja, doch gerade angesichts der knappen finanziellen Staatsmittel erscheint das zum jetzigen Zeitpunkt wenig realistisch. Handwerker müssen sich deshalb weiterhin zumindest mittelfristig auf hohe Strompreise einstellen.

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Heizungsgesetz auf dem Prüfstand

Kaum ein Thema hat die energiepolitische Debatte der vergangenen Jahre so geprägt wie das „Heizungsgesetz“, wobei es sich dabei eigentlich um einen Abschnitt aus dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) handelt. Ursprünglich als zentrales Instrument der Wärmewende gedacht, schreibt es unter anderem vor, dass neu eingebaute Heizungen künftig mindestens zu 65 % mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. In der Praxis war das nahezu gleichbedeutend mit dem Verbot von Gas- und Ölheizungen in Neubauten, womit der CO₂-Ausstoß im Gebäudesektor langfristig reduziert werden sollte. Für viele Handwerksbetriebe, gerade aus dem SHK-Bereich, bedeutete das tiefgreifende Umstellungen bei der Kundenberatung sowie bei der Planung und Umsetzung von neuen Heizungen.

Auf Kundenseite sorgte das Gesetz erst einmal für Unsicherheit und Verwirrung, was wiederum in einem rückläufigen Heizungsmarkt resultierte. Mittlerweile hat sich die Auftragslage wieder stabilisiert, im ersten Quartal 2025 wurden rund 62.000 Wärmepumpen abgesetzt – das entspricht einem Plus von 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum2. Dennoch plant die neue Bundesregierung die Aufhebung des Gebäudeenergiegesetzes in seiner bisherigen Form, Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sprach hier gar kritisch vom „Zwang zur Wärmepumpe“.

Für die Erreichung der Klimaziele ist der Gebäudesektor zentral. Bezahlbarkeit, Technologieoffenheit, Versorgungssicherheit und Klimaschutz sind unsere Ziele für die Modernisierung der Wärmeversorgung. Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen. Das neue GEG machen wir technologieoffener, flexibler und einfacher.

(Wortlaut aus dem Koalitionsvertrag 2025)

Technologieoffener, flexibler und einfacher soll das GEG also werden – was damit genau gemeint ist, wurde im Vertrag allerdings nicht genauer spezifiziert. Und auch mehrere Monate später ist noch unklar, wie das reformierte Heizungsgesetz eigentlich aussehen soll. Sowohl ein Zeitplan für die Überarbeitung als auch exakte Eckpunkte wurden bisher noch nicht benannt.

Ehe die genauen Rahmenbedingungen des überarbeiteten GEG feststehen, ist eine seriöse Beurteilung freilich nicht möglich. Am übergeordneten Ziel – nämlich der Förderung nachhaltiger Heizsysteme – dürfte sich aber weiterhin nichts ändern, weshalb manche Experten und Branchenvertreter eine reine Umetikettierung befürchten.

In jedem Fall wird durch die Pläne der Bundesregierung weitere Unsicherheit geschürt: Welche technischen Vorgaben gelten künftig? Welche Förderungen bleiben bestehen? Welche Heizungen sind fortan rechtsgültig? Alle Betriebe, die sich erst mühsam an die neuen Anforderungen des GEG angepasst hatten, stehen nun erneut vor einem Vakuum. Dementsprechend herausfordernd dürfte sich die Beratung von Kund*innen beim Einbau neuer Heizungen gestalten. Ohne einen zügigen und strukturierten Gesetzesvorschlag droht dem Wärmemarkt ein erneuter Vertrauensverlust – umso wichtiger ist es daher, dass die Bundesregierung rasch konkrete Pläne für die Reform des Heizungsgesetzes vorlegt.

Sanierung im Fokus: Neue Anreize für alte Gebäude

Viele Immobilien sind energetisch veraltet, weshalb auch die Modernisierung des Gebäudebestands verstärkt in den Blickpunkt der Regierungskoalition rückt. Im Zentrum steht eine Sanierungsoffensive, die einerseits auf bestehenden Förderprogrammen fußt, aber gleichzeitig auch mit neuen steuerlichen Anreizen punkten soll.

Die Sanierungs- und Heizungsförderung werden wir fortsetzen. Die Kosten für energetische Sanierungen ererbter Immobilien werden künftig von der Steuer absetzbar. Die Förderfähigkeit des EH55-Standards wollen wir zeitlich befristet zur Aktivierung des Bauüberhangs wiederherstellen.

(Wortlaut aus dem Koalitionsvertrag 2025)

Im Klartext bedeutet das: Wer eine geerbte Immobilie modernisiert, soll steuerlich entlastet werden. Darüber hinaus soll die befristete Reaktivierung der Förderungen für den EH55-Standard neue Investitionen anregen. Dieser besagt, dass Effizienzhäuser maximal 55 % des Primärenergiebedarfs eines vergleichbaren Referenzgebäudes verbrauchen dürfen. Mittlerweile gilt hier aber ein Förderstopp – die Pläne der Bundesregierung sehen deshalb vor, die Förderfähigkeit des KfW-55-Standards zumindest vorübergehend wiederzubeleben, um aufgeschobene Projekte aus dem Bauüberhang doch noch rentabel realisieren zu können. Das ist auch für viele Handwerksbetriebe von großer Bedeutung, denn energetische Sanierungen werden künftig wieder attraktiver.

Diese Pläne sind Teil eines groß angelegten Maßnahmenplans der Bundesregierung zur Förderung der Bauwirtschaft. Gerade in den „Bau-Turbo“, welcher langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren bei Neubauprojekten deutlich beschleunigen soll, werden große Hoffnungen gesetzt. Wie das Handwerk den Bau-Turbo bewertet und welche sonstigen Aktionspunkte der Koalitionsvertrag für den Bereich Bauen und Wohnen bereithält, haben wir in einem eigenen Artikel analysiert.

Fazit: Vertrauensverlust – Handwerk reagiert kritisch auf ausbleibende Stromsteuersenkung

„Wir stärken Mittelstand und Handwerk den Rücken.“ – so heißt es schon auf der zweiten Seite des insgesamt 144 Seiten umfassenden Koalitionsvertrags. Hierzu hat sich die Bundesregierung allerhand vorgenommen: Ob neue steuerliche Anreize für Sanierungen, ein reformiertes Heizungsgesetz oder maßgebliche Entlastungen bei den Energiekosten, auch im Bereich Klima & Energie hat die Große Koalition ein ambitioniertes Maßnahmenpaket geschnürt – zumindest auf dem Papier.

Die Realität kann mit diesen Plänen allerdings noch nicht Schritt halten. Während die angekündigte Neufassung des Gebäudeenergiegesetzes bisher nur Fragezeichen aufwirft, gibt es zumindest beim Thema Stromsteuer vorerst Gewissheit: Trotz gegenteiliger Ankündigungen hat der Koalitionsausschuss beschlossen, die Senkung nicht auf das Handwerk auszuweiten.

Entsprechend groß ist der Unmut aus Branchenkreisen. Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), spricht von einem „Schlag ins Kontor für den Mittelstand“ und wirft der Bundesregierung offen Wortbruch vor: „Mit der Entscheidung des Koalitionsausschusses, die Stromsteuer nicht für alle als entlastende Maßnahme zu senken, bricht die Regierungskoalition ihr Versprechen.”

Besonders problematisch: Viele Betriebe hatten bereits fest mit der angekündigten Stromsteuersenkung geplant und diese auch bei ihren unternehmerischen Entscheidungen berücksichtigt – nun drohen unerwartete finanzielle Mehrbelastungen und wachsender Frust. Dittrich resümiert deshalb: „Es ist nicht vermittelbar, dass diese mittelständischen Handwerksunternehmen der haushalterischen Wirklichkeit zum Opfer fallen. [...] Wir fordern die Bundesregierung auf, zu ihrem Wort zu stehen. Die Stromsteuer muss für alle energieintensiven Betriebe und Unternehmen, auch im Handwerk, auf das europäische Mindestmaß gesenkt und die Netzentgelte fair ausgestaltet werden.”

Neben der ausbleibenden wirtschaftlichen Entlastung wiegt auch der Vertrauensverlust in die neue Bundesregierung schwer. Angesichts der Kehrtwende bei der Stromsteuer mehren sich berechtigterweise die Zweifel an der Verlässlichkeit der politischen Zusagen aus dem Koalitionsvertrag. Daher ist es entscheidend, dass die Große Koalition schon bald planbare Rahmenbedingungen schafft – gerade beim neuen Heizungsgesetz – denn mit zunehmender Unsicherheit bei Handwerksbetrieben und Haushalten droht auch die Energiewende ins Stocken zu geraten. Wir behalten das Thema im Auge und informieren dich auf dem HERO Blog weiterhin über alle aktuellen Entwicklungen!

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