Paula ist 22 Jahre alt und arbeitet seit knapp fünf Jahren als Dachdeckerin, einer der Handwerksberufe, in denen Frauen noch sehr selten anzutreffen sind. Nach dem Schulabschluss entschied sie sich dazu, eine Ausbildung im Dachdeckerhandwerk zu beginnen und absolvierte 2018 ihre Gesellenprüfung zur Dachdeckerin in Hannover. Bereut hat Paula das bis heute nicht. Wir haben mit ihr über ihre Erfahrungen in einem „typisch männlichen“ Handwerksberuf gesprochen.
Warum hast du dich für diesen Beruf entschieden?
Daran ist mein Vater Schuld. Es stand wieder mal ein Schulpraktikum an, in der neunten Klasse und ich wollte eigentlich immer schon gern etwas mit Tieren machen. So wollte ich zum zweiten Mal ein Praktikum als Tiermedizinische Fachangestellte machen. Mein Vater hat dann zu mir gesagt: „Ich soll mal etwas anderes ausprobieren, vielleicht was im Handwerk, z.B. Dachdecker oder Zimmerer“. Also habe ich mir die Worte zu Herzen genommen und ein paar Dachdecker gefragt, ob ich dort ein Praktikum machen darf. Es hat sich ziemlich schnell ein Betrieb gefunden und so habe ich 2 Wochen ein Praktikum gemacht und bin jetzt seit 2 Jahren ausgelernt und sehr zufrieden.
Hast oder hattest du als Frau mit besonderen Vorurteilen zu kämpfen?
Mit Vorurteilen habe ich eigentlich nicht zu kämpfen, es wird eher überrascht geguckt und gefragt, ob ich wirklich Dachdeckerin bin. Bis jetzt gab es nur positives Feedback und erstaunte Gesichter zu meiner Berufswahl.
Hast du schon einmal die Erfahrung gemacht, dass du aufgrund deines Geschlechts anders im Job behandelt wurdest?
Manchmal unterschätzen mich meine Kollegen oder andere Gewerke, die gerade auf derselben Baustelle sind, aber anders behandeln tun sie mich nicht.
Was sind deiner Ansicht nach die Gründe dafür, dass Frauen in typisch männlichen Handwerksberufen immer noch unterrepräsentiert sind?
Ich denke, das hängt viel damit zusammen, dass Mädchen und junge Frauen sich nicht zutrauen eine Ausbildung im Handwerk zu machen. Viele haben Angst, dass sie die Ausbildung nicht schaffen oder was andere über sie denken.
Was können Frauen besser als Männer auf der Baustelle?
Frauen können auf jeden Fall ordentlicher auf der Baustelle sein und machen manche Dinge einfach genauer, als Männer. Aber ich glaube, entscheidender als das Geschlecht ist der Charakter und die Motivation eines Menschen.
Was müsste sich deiner Ansicht nach innerhalb der Branche ändern, um mehr Mädchen und Frauen für Handwerksberufe zu motivieren?
Viel Werbung machen, Handwerker und vor allem Handwerkerinnen in die Schulen schicken, die sich vorstellen und die Berufe erklären. Vielleicht Schülermessen machen, wo HandwerkerInnen sich intensiv mit den Schülern befassen können und ihnen Einblicke in die Handwerksberufe geben können.
Hast du deine Entscheidung, Dachdeckerin zu werden, jemals bereut? Wenn nein, warum nicht?
Meine Entscheidung habe ich bis heute nicht bereut. Ich bin durch den Beruf viel selbstbewusster, selbstständiger und glücklicher geworden. Früher war ich das schüchterne Mädchen, das sich nicht getraut hat zu reden. Heute bin ich selbstbewusst, rede viel und gerne. Und das Wichtigste ist, ich bin zufrieden und glücklich. Klar frage ich mich an manchen Tagen, ob es die richtige Entscheidung war, den Beruf auszuüben. Aber überall gibt es Tiefen und Höhen, sonst wäre das Leben ja nicht so wie es ist.
Was kannst du anderen Frauen mit auf den Weg geben, die sich für einen Handwerksberuf interessieren?
Ich kann jeder Frau nur ans Herzen legen ein Praktikum oder Ferienjob zu machen, um zu sehen, wie es für sie ist, den ganzen Tag bei Wind und Wetter draußen zu sein und 8 Stunden, manchmal mehr auf den Beinen zu sein. Sonst würde ich einfach sagen: Machen und Ausprobieren!