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Frauen im Handwerk 2020 - Langsamer Zuwachs

Anna Schwirten  | 21.08.2020

Das Bild von Frauen im Handwerk ist leider immer noch nicht für alle selbstverständlich. Insbesondere in männerdominierten Handwerksberufen haben es Frauen immer noch schwerer als ihre männlichen Kollegen. Trotzdem gibt es genug Frauen, die sich dafür entscheiden in einem handwerklichen Beruf zu arbeiten, eine davon stellen wir in diesem Beitrag vor.

Außerdem schauen wir uns die aktuelle Situation von Frauen in Handwerksberufen genauer an. Wir klären, welche Berufe überhaupt als Handwerksberufe gelten und gehen kurz auf die Entwicklung von Frauen im Handwerk ein.

Bild: Frauen sind im Handwerk in der Unterzahl
Frauen in Handwerksberufen sind für viele ein ungewohntes Bild, wir schauen uns das Thema genauer an | © 2017 Robert Kneschke/Shutterstock.com

Frauen im Handwerk

Frauen, die in einem handwerklichen Beruf arbeiten, haben es oft nicht leicht. Besonders Frauen im Baugewerbe begegnen immer wieder geschlechtsspezifischen Vorurteilen und müssen sich vor ihren männlichen Kollegen häufig erst beweisen. Zusätzlich dazu verdienen sie meist weniger und sind seltener in Führungspositionen anzutreffen als Männer. Zwar hat sich das Bild der Frau im Handwerk in den letzten Jahren gewandelt, dennoch sind Frauen in Handwerksberufen immer noch deutlich in der Unterzahl.

Der zunehmende Fachkräftemangel hat dazu beigetragen, dass sich das Handwerk seit einiger Zeit darum bemüht, mehr Frauen für Handwerksberufe zu begeistern. Mit verschiedenen Aktionen und Imagekampagnen versucht die Branche, das traditionelle Bild mit einem modernen Rollenverständnis zu vereinbaren. Vorwiegend in den männerdominierten Gewerken ist das aber nach wie vor schwierig.

Bild: Männerdomäne Baugewerbe
Berufe auf dem Bau gelten nach wie vor als "typische Männerberufe" | © 2020 Svitlana Hulko/Shutterstock.com


Welche Berufe zählen als Handwerksberuf?

In der Regel wird von Handwerk gesprochen, wenn eine Person durch den Einsatz von Handarbeit und gegebenenfalls Werkzeugen Werke erstellt und/oder repariert. Wenn wir von Handwerksberufen sprechen, richten wir uns nach der Handwerksordnung (HwO). Sie legt gesetzlich fest, welche Berufe zum Handwerk zählen. In Deutschland gehören über 130 Berufe zum Handwerk. Sie lassen sich in 8 Gruppen zusammenfassen:

Berufsgruppe Typische Berufe
Bau- und Ausbaugewerbe Dachdecker*in, Maler*in, Maurer*in
Holzgewerbe Tischler*in, Parkettleger*in, Drechsler*in
Metall- und Elektrogewerbe Elektroniker*in, Mechatronikerin, Klempner*in
Bekleidungs-, Textil- und Ledergewerbe Schneider*in, Schuhmacher*in, Sattlerin
Lebensmittelgewerbe Koch/Köchin, Bäcker*in, Fleischer*in
Grafisch/gestaltendes Gewerbe Fotograf*in, Illustrator*in, Zeichner*in
Gesundheits-, Körperpflege-, chemisches und Reinigungsgewerbe Friseur*in, Gebäudereiniger*in, Optiker*in
Glas-, Papier-, keramische und sonstige Gewerbe Glaser*in, Uhrmacher*in, Buchbinder*in

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Typisch Mann - typisch Frau?

Technische Berufe und solche, die mit schwerer körperlicher Arbeit zu tun haben, gelten nach wie vor als „Männerberufe“. Um diese typisch männlich konnotierten Handwerksberufe, wie etwa Maurer, Schweißer oder Dachdecker, soll es in diesem Artikel hauptsächlich gehen. Tatsächlich arbeiten laut des Zentralverbands des deutschen Handwerks (ZDH) in den meisten dieser Berufe weniger als 20 Prozent Frauen. In den Berufen des Erziehungs- und Gesundheitswesen hingegen sind über 80 Prozent der Beschäftigten weiblich.

Männer und Frauen folgen demnach bei der Berufswahl immer noch althergebrachten Geschlechterklischees. Warum ist das so? Die Gründe hierfür sind komplex und stark mit der Geschichte von Frauen im Handwerk und der Arbeitswelt im Allgemeinen verbunden. In vielen Köpfen herrscht noch die traditionelle Rollenverteilung vor. Um das nachzuvollziehen, werfen wir einen kurzen Blick auf die Entwicklung von Frauen in handwerklichen Berufen.

Bild: Eine Reinigungskraft bei der Arbeit
Viele Frauen arbeiten in einem "typisch weiblichen" Handwerk | © 2015 ucchie79/Shutterstock.com

Rückblick - wie war das früher?

Lange Zeit waren Frauen in Deutschland primär dafür zuständig, sich um den Haushalt und die Familie zu kümmern. Wenn Frauen eine Ausbildung absolvierten, dann eher in typischen „Frauenberufen“ und mit niedriger Bezahlung. Anfang des 20. Jahrhunderts setzten sich die ersten Gleichstellungsrechte durch und die Frauen erkämpften sich das Recht auf berufliche Bildung im Handwerk. 1913 absolvierte erstmals eine Frau die Prüfung zur Tischlermeisterin.

Es folgten erste Gleichberechtigungsversuche zu Beginn der 1920er-Jahre, die aber mit Einsetzen der Nazizeit schnell wieder untergegangen sind. Spätestens mit den Wirtschaftswunderjahren um 1950 wandelte sich das Rollenbild wieder zurück und Frauen gehörten wieder in den Haushalt. 1952 wurde Frauenarbeit im Baugewerbe sogar offiziell verboten und bis 1977 durften Frauen nicht ohne das Einverständnis ihres Mannes gewerblich tätig sein.

Heute sind Frauen aus der Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken, aber sie gehen in vielen Fällen immer noch einer „typisch weiblichen“ Erwerbstätigkeit nach. Daher befinden sich Frauen die in einem Handwerksberuf tätig sind nach wie vor in der Minderheit. Nichtsdestotrotz ist der Anteil an weiblichen Arbeitskräften im Bereich Handwerk in den letzten 25 Jahren kontinuierlich angestiegen (Quelle: ZDH).

Bild: Mechatronikerin bei der Pause
Knapp 20 Prozent der im Handwerk Beschäftigten sind Frauen | © 2019 SeventyFour/Shutterstock.com

Wie sieht es heute aus?

Aktuell sind circa ein Fünftel der Beschäftigten (19,7 Prozent) im Handwerk weiblich. Fast jede vierte Gründung im Handwerk erfolgt heute durch eine Frau und jeder fünfte Handwerksbetrieb wird von einer Frau geführt. In den „typisch männlichen“ Handwerksberufen sind sie aber nach wie vor unterrepräsentiert. Wenn Frauen ein Handwerk erlernen, dann in den meisten Fällen in „frauenspezifischen“ Gewerken wie etwa dem Friseurhandwerk.

Im Jahr 2019 haben sich knapp 15.000 Auszubildende für den Ausbildungsberuf der Friseurin entschieden. Damit liegt der Friseurberuf auf Platz eins der beliebtesten Ausbildungsberufe von Frauen. Auch ganz vorne auf der Beliebtheitsskala von Frauen sind die Ausbildungsberufe Schneiderin, Konditorin und Optikerin, aber auch bestimmte technische Berufe wie Zahntechnikerin oder Orthopädietechnikerin. Im Vergleich dazu entscheiden sich die männlichen Auszubildenden im Schnitt am häufigsten für eine Lehre zum Kfz-Mechatroniker, Tischler oder Maler und Lackierer.

Bild: Beliebteste Berufe von männlichen und weiblichen Auszubildenden
© Zentralverband Deutsches Handwerk ZDH

Der Frauenanteil in den Handwerksberufen hat also stark zugenommen, aber die Grafik zeigt, dass es innerhalb des Handwerks noch „typisch männliche“ und „typisch weibliche“ Gewerke gibt. Insbesondere im Baugewerbe sind Frauen stark unterrepräsentiert. Woran das liegt, haben wir Paula gefragt. Sie ist als eine der wenigen Frauen als Dachdeckergesellin tätig und sehr zufrieden mit ihrem Job.

Dachdeckerin Paula gefragt

Paula ist 22 Jahre alt und arbeitet seit knapp fünf Jahren als Dachdeckerin, einer der Handwerksberufe, in denen Frauen noch sehr selten anzutreffen sind. Nach dem Schulabschluss entschied sie sich dazu, eine Ausbildung im Dachdeckerhandwerk zu beginnen und absolvierte 2018 ihre Gesellenprüfung zur Dachdeckerin in Hannover. Bereut hat Paula das bis heute nicht. Wir haben mit ihr über ihre Erfahrungen in einem „typisch männlichen“ Handwerksberuf gesprochen.

Bild: Dachdeckerin Paula bei der Arbeit
Dachdeckerin Paula arbeitet seit 5 Jahren in dem Beruf und kann sich nichts anderes vorstellen

Warum hast du dich für diesen Beruf entschieden?

Daran ist mein Vater Schuld. Es stand wieder mal ein Schulpraktikum an, in der neunten Klasse und ich wollte eigentlich immer schon gern etwas mit Tieren machen. So wollte ich zum zweiten Mal ein Praktikum als Tiermedizinische Fachangestellte machen. Mein Vater hat dann zu mir gesagt: „Ich soll mal etwas anderes ausprobieren, vielleicht was im Handwerk, z.B. Dachdecker oder Zimmerer“. Also habe ich mir die Worte zu Herzen genommen und ein paar Dachdecker gefragt, ob ich dort ein Praktikum machen darf. Es hat sich ziemlich schnell ein Betrieb gefunden und so habe ich 2 Wochen ein Praktikum gemacht und bin jetzt seit 2 Jahren ausgelernt und sehr zufrieden.

Hast oder hattest du als Frau mit besonderen Vorurteilen zu kämpfen?

Mit Vorurteilen habe ich eigentlich nicht zu kämpfen, es wird eher überrascht geguckt und gefragt, ob ich wirklich Dachdeckerin bin. Bis jetzt gab es nur positives Feedback und erstaunte Gesichter zu meiner Berufswahl.

Hast du schon einmal die Erfahrung gemacht, dass du aufgrund deines Geschlechts anders im Job behandelt wurdest?

Manchmal unterschätzen mich meine Kollegen oder andere Gewerke, die gerade auf derselben Baustelle sind, aber anders behandeln tun sie mich nicht.

Was sind deiner Ansicht nach die Gründe dafür, dass Frauen in typisch männlichen Handwerksberufen immer noch unterrepräsentiert sind?

Ich denke, das hängt viel damit zusammen, dass Mädchen und junge Frauen sich nicht zutrauen eine Ausbildung im Handwerk zu machen. Viele haben Angst, dass sie die Ausbildung nicht schaffen oder was andere über sie denken.

Was können Frauen besser als Männer auf der Baustelle?

Frauen können auf jeden Fall ordentlicher auf der Baustelle sein und machen manche Dinge einfach genauer, als Männer. Aber ich glaube, entscheidender als das Geschlecht ist der Charakter und die Motivation eines Menschen.

Was müsste sich deiner Ansicht nach innerhalb der Branche ändern, um mehr Mädchen und Frauen für Handwerksberufe zu motivieren?

Viel Werbung machen, Handwerker und vor allem Handwerkerinnen in die Schulen schicken, die sich vorstellen und die Berufe erklären. Vielleicht Schülermessen machen, wo HandwerkerInnen sich intensiv mit den Schülern befassen können und ihnen Einblicke in die Handwerksberufe geben können.

Hast du deine Entscheidung, Dachdeckerin zu werden, jemals bereut? Wenn nein, warum nicht?

Meine Entscheidung habe ich bis heute nicht bereut. Ich bin durch den Beruf viel selbstbewusster, selbstständiger und glücklicher geworden. Früher war ich das schüchterne Mädchen, das sich nicht getraut hat zu reden. Heute bin ich selbstbewusst, rede viel und gerne. Und das Wichtigste ist, ich bin zufrieden und glücklich. Klar frage ich mich an manchen Tagen, ob es die richtige Entscheidung war, den Beruf auszuüben. Aber überall gibt es Tiefen und Höhen, sonst wäre das Leben ja nicht so wie es ist.

Was kannst du anderen Frauen mit auf den Weg geben, die sich für einen Handwerksberuf interessieren?

Ich kann jeder Frau nur ans Herzen legen ein Praktikum oder Ferienjob zu machen, um zu sehen, wie es für sie ist, den ganzen Tag bei Wind und Wetter draußen zu sein und 8 Stunden, manchmal mehr auf den Beinen zu sein. Sonst würde ich einfach sagen: Machen und Ausprobieren!

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Welche Trends zeichnen sich ab?

Das Handwerk wird immer weiblicher. Der Anteil von Frauen in den handwerklichen Berufen allgemein und auch in den männerdominierten Handwerksberufen steigt langsam. Zwar begegnen manchen Frauen auf der Baustelle immer noch Vorurteile und oftmals verdienen sie weniger als ihre männlichen Kollegen, aber diese Genderlücke wird immer kleiner.

Der zunehmende Fachkräftemangel hat auch in der Handwerksbranche dazu geführt, dass langsam ein Umdenken stattfindet. Offene Stellen können immer häufiger nicht besetzt werden, weil gute Fachkräfte fehlen. Um dieser Problematik entgegenzuwirken, versucht die Branche, Männer und Frauen mittlerweile gleichermaßen anzusprechen. Erste Studien haben außerdem gezeigt, dass Frauen im Handwerk häufig stärker motiviert sind als ihre männlichen Kollegen, da sie bereits hohe Hürden genommen haben, um überhaupt in den Beruf zu kommen.

Letztlich bleibt festzuhalten, dass das Handwerk zwar nach wie vor sehr traditionell eingestellt ist, trotzdem nimmt die Chancengleichheit auch hier langsam aber stetig zu. Powerfrauen wie Paula beweisen, dass Frauen auf dem Bau genauso gute Arbeit leisten, wie Männer und dass Frauen das Ein oder Andere sogar besser können.

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